Hygiene und Gesundheit prägen die Wahrnehmung und Handlungen von Verbrauchern – im aktuellen Szenario im Herbst 2020 unter dem Eindruck der Covid-19-Pandemie. Doch auch nachhaltige und ressourcenschonend hergestellte Produkte bleiben den Menschen wichtig.
In einer Studie des Fraunhofer Instituts ISI Karlsruhe zu den 50 Trends, die bis 2035 Europas Food-Sektor beeinflussen werden, finden sich rund 15 Trends mit engem Nachhaltigkeitsbezug . Dieser Studie zufolge lassen sich durch ‚Nachhaltige Produktion und Wertschöpfungsketten‘ zwischen 280 und 470 Milliarden Euro jährlich einsparen. Weiter sieht das Institut unter anderem die ‚Strengere Abfallgesetzgebung‘ als Einflussfaktor der künftigen Sektorentwicklung. Die Abfallgesetzgebung der Europäischen Union fordert bereits jetzt, dass die Hersteller künftig Recycling und den Wiedereinsatz von Recyclat für Verpackungen verstärken müssen.
Fragen der Nachhaltigkeit sind also heute schon fester Bestandteil in der Welt der Lebensmittel- und Getränkeherstellung. Auch weil Verbraucher Lösungen dazu einfordern. So sagen – gemäß einer Studie des Marktforschers Mintel – 44 Prozent der US-amerikanischen Millenials, dass umweltfreundliche Marken die persönlichen Werte dieser Generation am besten abbilden. Die Akteure in der Branche sehen da zwei Ansatzpunkte. Einmal der direkte Weg: Wie wird die Herstellung von Getränken und Liquid Food nachhaltig? Und der indirekte Weg: Wie kann man es beim Verpacken und im Handel dem Verbraucher möglichst einfach machen, im Alltag selbst die Umwelt zu schonen?
Es gibt großen Spielraum, wenn ein Getränkehersteller nach Ansatzpunkten für die umwelteffiziente Herstellung seiner Produkte sucht. Erster Stichpunkt: die Rohstoffe. Zertifizierungen geben einen Hinweis auf die nachhaltige und faire Kultivierung von Rohstoffen und Grundstoffen für die Getränkeherstellung. Hersteller beteiligen sich an Initiativen wie Fairtrade, Rainforest Alliance und UTZ, und setzen bei der Zertifizierung ihrer Rohstoffe auf Plattformen wie SAI/FSA (Sustainable Agriculture Initiative / Farm Sustainability Assessment).
Ein Beispiel: Mit nachhaltigem und überwachtem Hopfen kann etwa jede Brauerei schon bei der Rohstoffbeschaffung ein erstes Zeichen setzen. Auch die Anbieter von Aromen und Ingredients haben Produkte mit Zertifizierung im Portfolio, die zum Beispiel für NFC-Produkte (not from concentrate) ein natürliches und naturnahes Geschmackserlebnis versprechen.
Verschiebungen in der Lieferkette sind ebenfalls ein untrügliches Zeichen dafür, dass produktionsnahe Lösungen – und damit CO2-Einsparungen – in der Getränkebranche im Kommen sind: Weniger Transportgeht mit mehr Umweltschutz einher. Die Budweiser Brewing Group beispielsweise kündigt an, für die Produktionsstätten in Großbritannien zu 100 Prozent auf Malz aus UK-Erzeugung zu setzen . Dafür arbeitet die Brauereigruppe eng mit der Landwirtschaft und den Handelspartnern zusammen, die für die Anforderungen eigens eine neue Getreidesorte im Vereinigten Königreich einführten.
Natürlich muss die Branche über die eigenen Anwendungsbereiche hinausdenken: Ein Erfolgsbeispiel für dieses ergebnisoffene Denken ist etwa die Anwendung des Reststoffs Biertreber bei der Lebensmittelherstellung. In Müsli, Mehl, Chips oder sogar Herrenkosmetik findet der Reststoff aus der Bierherstellung Verwendung.
Der zweite Ansatzpunkt in der Getränkeproduktion sind nachhaltige Prozesse: Mit energieeffizienten Verfahren und Kreislaufkonzepten werden in der Getränkeherstellung Ressourcen und Energie eingespart. Der Water Footprint ist dabei eine wichtige Kennzahl, um bei der Herstellung von Getränken einen sparsamen Einsatz von Wasser zu dokumentieren. Insbesondere Brauereien arbeiten intensiv daran, diese Größe auf einem niedrigen Niveau zu halten. Abwasserrecycling ist dabei ein Stichwort: Mit Wasseraufbereitung wie Ultrafiltration und Umkehrosmose kann der Wasserverbrauch im Getränkebetrieb um bis zu 80 Prozent reduziert werden. Wie viel an dieser Stelle geht, zeigt die dänische Brauerei Carlsberg mit der Eröffnung einer Wasseraufbereitungsanlage am Standort Fredericia . Dort soll der durchschnittliche Wasserverbrauch von 2,9 Hektoliter pro Hektoliter Bier auf 1,4 Hektoliter sinken.
Während bei Bier der Brauprozess großen Spielraum zur Optimierung der Energieeffizienz bietet, richtet sich der Blick der Hersteller von alkoholfreien Erfrischungsgetränken oft auf das Nachhaltigkeitspotenzial der Verpackung. Vor dem Hintergrund der EU Plastics Directive und der Notwendigkeit, das Aufkommen an Verpackungsmüll deutlich einzudämmen, sind auch die Lebensmittelhersteller und die Getränkeindustrie gefordert. Einer Frage widmen derzeit alle Hersteller in der Getränkeindustrie viel Aufmerksamkeit: Wie lässt sich der Einsatz von Kunststoff minimieren? Das Flaschendesign kann je nach Vorgaben des Abfüllers mit individuellen Virgin-PET/Recyclat-Mischungen umgesetzt werden. Bottle-to-Bottle-Recyclinganlagen mit Modulen für den Wasch- oder Dekontaminierungsprozess bereiten gebrauchte PET-Flaschen für die erneute Verwendung im Lebensmittel- bzw. Getränkeeinsatz auf. Dass die Verfügung über den Rohstoff PET für viele Getränkehersteller immer interessanter wird, zeigt beispielsweise Asahi Beverages, das Unternehmen beteiligt sich an einem Joint Venture zum Bau einer Recyclinganlage für PET in Australien. Projektumfang: Recyclingkapazität eine Milliarde 600-ml-PET-Flaschen pro Jahr mit einer Jahresproduktion von 20 000 Tonnen Recyclat. Wert der Gesamtinvestition: rund 45 Millionen US-Dollar.
Angesichts dieser Konkurrenz: Wie werden alternative Kunststoffe im Markt Fuß fassen? Bio-PET als Blend, basierend auf Reststoffen der Zuckerrohr- oder Zuckerrüben-Produktion, kommt schon umfassend zum Einsatz. Die weltweite Produktionskapazität für dieses Material wird gemäß den Erwartungen des Instituts für Biokunststoffe und Bioverbundstoffe an der Hochschule Hannover von 1,4 Millionen Tonnen (2018) bis zum Jahr 2023 auf 2,2 Millionen Tonnen weiter zunehmen. Etwa durch veränderte Strategien großer Softdrinkhersteller.
Eine spannende Frage wird auch, welche Bedeutung neue Kunststoffvarianten erhalten, wie die Plattformchemikalie FDCA (furandicarboxylic acid) für den Kunststoff PEF (polyethylene furanoate) . Die damit verfügbaren Materialien werden aus erneuerbaren Rohstoffen gewonnen – aus Reststoffen der Agrarindustrie oder aus Holzabfällen – und zeigen deutlich verbesserte Barriereeigenschaften im Vergleich zum klassischen PET. Zeitgleich wird im Getränkemarkt auch das Thema Kunststoffalternativen weiter an Aufmerksamkeit gewinnen. Die Innovationskraft der Branche zeigt sich bereits jetzt mit Flaschen-Varianten aus Papier und innenliegender Folienschicht aus Bio-Kunststoff, die zum Beispiel für Spirituosen angewendet werden sollen.
Neue Möglichkeiten für das Verpackungsmaterial Papier erschließen die Maschinenhersteller auch in der Sekundärverpackung: Warum nicht auch einen Dosen-Tray mit Papier umhüllen? Oder: Warum nicht die Sechser-Gebinde an PET-Mineralwasser mit einem Karton-Griff ausstatten und auf die Wrap-around-Folien-Umhüllung komplett verzichten?
Auch Grundsatzdiskussionen bleiben aktuell: Ist Design for Recycling schon gelernt? Welchen Effekt hat die Abgabe der EU auf nicht recycelte Plastikabfälle in der Getränkeindustrie? Wie ändert sich die Umweltbilanz der Verpackung, wenn Plastik durch Papier ersetzt wird? Und nicht zuletzt: Welche Rolle kann chemisches Recycling in dieser Gemengelage spielen?
Die Weltleitmesse drinktec zeigt sich also am Puls der Zeit, wenn sie dieses Thema auf eine Top-Position für die künftige Ausrichtung der Branche setzt. Vom 12. bis 16. September 2021 in München bietet die drinktec eine umfassende Informationsplattform zum Zukunftsschwerpunkt Nachhaltigkeit in der Getränkeindustrie.
Die drinktec findet seit 1951 in München statt, seit 1985 im Vierjahresrhythmus. Sie ist die wichtigste Veranstaltung der Branche. Hersteller (Zulieferer) aus aller Welt, darunter weltweit operierende Konzerne ebenso wie mittelständische Unternehmen, treffen auf Produzenten und Händler jeder Größe für Getränke und Liquid Food. Auf der drinktec wird Zukunft gemacht. Die Messe gilt in der Branche als Premierenplattform für Weltneuheiten. Die Hersteller präsentieren die neuesten Technologien rund um die Herstellung, Abfüllung und Verpackung von Getränken aller Art bis hin zu Liquid Food – Rohstoffe und logistische Lösungen inklusive. Die Themen Getränkemarketing und Verpackungsdesign runden das Portfolio ab. Die nächste drinktec findet vom 12. bis 16. Oktober 2022 in München statt.
Das „bev & food tec network“ ist das weltweit führende Netzwerk für die Getränke-, Lebensmittel- und Liquid-Food-Industrie. Es besteht aus den Eigenveranstaltungen drinktec (Deutschland), oils+fats (Deutschland), Home & Craft (Deutschland), drink technology India (Indien) und der food & drink technology Africa (Südafrika) sowie der Kooperationsveranstaltung CHINA BREW CHINA BEVERAGE (China). Mit knapp 3.000 Ausstellern und über 140.000 Besuchern in München, Indien, China und Afrika ist Messe München der weltweit führende Veranstalter für die Getränke-, Lebensmittel- und Liquid-Food-Industrie.